Für Fama, die Göttin des Geredes

Ein Märchen aus Afrika

 

In der Nähe der Stadt Accra, im Westen Afrikas, war einmal ein Bauer, der ging auf sein Feld, um ein paar Süßkartoffeln für den Markt auszugraben.

Während er grub, sagte einer der Süßkartoffeln plötzlich zu ihm: „Jetzt kommst Du daher! Bisher hast Du hier nie gejätet, aber jetzt kommst Du mit Deinem Grabstock und willst mich ausgraben. Verschwinde und lass mich alleine!“

Der Bauer drehte sich um und schaute seine Kuh an. Die Kuh käute bedächtig wider – wie es Kühe eben so tun – und schaute mit großen Augen zurück. „Hast Du geredet?“, fragte der Bauer.

Die Kuh antwortete nicht und kaute nur weiter.

Aber der Hund des Mannes sprach nun:

„Es war nicht die Kuh, die geredet hat. Die Süßkartoffel hat gesagt, Du sollst sie in Ruhe lassen.“

Der Mann wurde ärgerlich, denn der Hund hatte noch nie gesprochen.

Außerdem gefiel ihm sein Tonfall nicht. Also schnitt er mit seinem Messer einen Zweig vom Baum, um den Hund damit zu schlagen.

Da sagte der Baum: „Leg den Zweig nieder!“

Der Mann begann sich über all das ziemlich aufzuregen und wollte den Zweig von sich schleudern, da sprach der Zweig: „Mann! Leg mich sanft hin!“

Er legte den Zweig also vorsichtig auf einen Stein, der Stein aber meinte: „He, nimm das Ding da weg!“

Das reichte! Der Bauer lief in Richtung Dorf davon. Auf dem Weg traf er eine Fischerin, die mit einer Fischfalle in der Hand in die entgegengesetzte Richtung ging. „Wohin so eilig?“, fragte sie ihn.

Außer Atem antwortete der Bauer: „Meine Süßkartoffel sagte, lass mich in Ruhe, da sagte der Hund, hör auf die Kartoffel, als ich den Hund mit einem Zweig schlagen wollte, sagte der Baum, leg den Zweig nieder, der Zweig sagte, tu es sanft, und dann sagte der Stein, nimm das Ding da weg."

„Das ist alles?“, fragte die Frau mit der Fischfalle, „das macht dir so viel Angst?“

„Und“, sagte da die Fischfalle, „hat er den Zweig vom Stein genommen?“

„Wahh!“, schrie die Fischerin, warf die Falle auf den Boden und rannte nun gemeinsam mit dem Bauern weiter.

Auf dem Weg trafen sie einen Weber, der ein Stück Stoff auf dem Kopf trug. „Jagt ihr eine Gazelle?“, fragte er sie.

„Meine Süßkartoffel sagte, lass mich in Ruhe, der Hund meinte dann, hör auf die Kartoffel, da sagte der Zweig, mit dem ich den Hund schlagen wollte, leg mich sanft nieder, und dann sagte der Stein, nimm das Ding da weg.“

„Und dann“, fuhr die Fischerin ebenso entsetzt fort, „sagte meine Fischfalle, hat er ihn heruntergenommen?“

„Das ist doch kein Grund sich aufzuregen“, meinte der Weber, „überhaupt kein Grund.“

„Doch das ist es“, sagte da der Stoffballen. „Wenn es Dir passiert wäre, würdest Du auch rennen.“

„Wahhh!“, schrie der Weber.

Er warf sein Bündel auf den Weg und lief mit den anderen weiter.

So kamen sie ins Dorf und liefen auf der Hauptstraße direkt zum Haus des Königs. Die Diener brachten seinen Thron heraus und er kam, um anzuhören, was denn los sei.

Die Drei begannen aufgeregt die ganze Geschichte zu erzählen.

Der Weber endete mit den Worten: „und dann sagte mein Stoffballen, du würdest auch rennen.“

Der König hörte zwar geduldig zu, aber er musste ein wenig schmunzeln.

„Das ist ja eine seltsame Geschichte“, meinte er schließlich.

„Ihr geht besser zurück an Eure Arbeit, bevor ich Euch noch für diese Lügengeschichte bestrafen muss."

Die Drei gingen also kleinlaut weg. Der König schüttelte den Kopf und murmelte vor sich hin: „So ein Unsinn bringt also die Leute durcheinander?“

„Ja, ist das nicht verrückt“, sagte da sein Thron.

„Stell Dir das vor – eine sprechende Kartoffel!“