Billa und das sonderbare Ruderhaus

 

Die Reise zur Radaumacherinsel

von Angelika Schütte

Inhalt:

Billas Mutter spinnt

Billa und das Ruderhaus

Auf der Radaumacherinsel

Nils und Billa am Fuße des Busenberges

Die Radaumacherschmuggler fangen Nils

Billa hat die Blaumarottentuckenbockkrankheit

Zurück auf dem Schiff

Das größte Kinderzimmer der Welt

Anhang:

Billas Liste der Seefahrerausdrücke

 

Jetzt gehts los:

Billas Mutter spinnt

Billa ist 10. Sie wohnt mit ihrer Mutter Hertha Tausendschön auf einem Schiff. Es heißt Libelle und ist ein ganz schön verrücktes Schiff. Von weitem sieht man bunte Farben und Fahnen, Lichterketten und Laternen. Am Abend leuchtet es wie eine Kirmesbude. Am Tag ist es bunt wie ein Zirkus. Auf dem Deck sind viele Figuren und Tiere. Sie sehen echt aus, sind es aber nicht. Sogar ein Storchennest sieht man auf dem Ruderhaus.

 

Eigentlich liebt Billa das alles und ganz besonders ihre Mutter Hertha, die genauso schön ist wie Billa. Beide haben die gleichen langen, dunkelbraunen Lockenhaare und noch braunere Augen. Aber manchmal denkt sie, dass sie nicht normal ist. Welche Mutter sammelt so viele Dinge? Hertha liebt alles, was schön ist, auf das Schiff zu bringen.

 

Heute ist Billa sehr wütend. Sie darf einen Freund einladen und soll dafür nur das Ruderhaus als Spielzimmer bekommen. Sie findet das ist viel zu klein und viel zu voll. Hertha sagt: „Sonst ist kein Platz!“

 

Und nun schleppt sie ein Holzpferd die Anlegestelle hoch. Keuchend stellt sie es auf dem Deck ab.

 

„Was bringst du da? Ein Pferd?“, ruft Billa und schlägt mit der Hand auf ihre Stirn.

 

Hertha lacht. „Stell dir vor, ein echtes Karussellpferd. Ist es nicht schön?“

 

„Du sagst, da ist kein Platz und ich krieg nur das kleine Ruderhaus. Und dann schleppst du dieses Pferd an“, schreit Billa. „Kannst du mir sagen warum du das machst? Du bist gemein!“

 

Billa stampft mit dem Fuß auf. „Dong“ macht das Blech des Decks. „Gemein bist du, gemein, gemein!“ Schreiend läuft sie die Treppe runter in das Unterdeck.

 

Hier sind Billas und Herthas Kabinen und die Kombüse. Wo früher einmal Reisende gesessen haben ist das Wohnzimmer. Alles ist voller Dinge. Hertha läuft an den bunten Hüten, Federboas, schönen Kleidern und Büchern vorbei, zu Billa ins Zimmer. „Du hast ja Recht!“ Sie setzt sich aufs Bett und streichelt Billa über ihre langen lockigen Haare. „Ich verspreche dir, morgen räume ich das Ruderhaus frei.“

 

„Wirklich morgen?“ fragt Billa ungläubig. „Ehrenwort“, sagt Hertha und hält zwei Finger hoch zum Schwur.

 

Billa und das Ruderhaus

 

Dann ist es so weit. Hertha hat das Ruderhaus leergeräumt und nur das darin gelassen, was ein Kapitän braucht. Sogar eine Kapitänsmütze und eine für den Steuermann gibt es. Aber Billa schimpft. „Das Ruderhaus ist so klein, wie sollen wir denn da richtig spielen?“

 

„Hast du keine Fantasie?“, fragt Hertha, „ihr könnt auf große Fahrt gehen.“ Richtig zufrieden ist Billa nicht, denn sie hat ihren besten Freund Nils eingeladen. Ob ihm das gefällt?

 

Als Nils in das Ruderhaus kommt staunt er. „Boah cool! Ein echtes Steuerrad und ein Kompass!“ Er dreht das Rad hin und her, schaut auf den Kompass, dann hinaus und befielt: „Nach Norden und dann rechts!“

 

„Rechts heißt auf dem Schiff Steuerbord“, lacht Billa.

 

„Und links?“, fragt Nils.

 

„Links heißt Backbord.“ Billa kennt sich aus. Sie hat eine ganze Liste mit Wörtern aus der Seefahrt.

 

„Und das hier ist die Kommandobrücke.“ Billa sagt nicht, dass es auf diesem Schiff eigentlich Ruderhaus heißt. Kommandobrücke hört sich viel besser an.

 

„Vorne ist der Bug und hinten das Heck.“

 

„Und wohin geht die Reise?“ fragt Nils.

 

„Ich weiß nicht? Sollen wir eine Karte ausrollen?“

 

Hertha hatte eine Kiste voller Landkarten neben den Kartentisch gestellt. Billa zieht eine heraus, rollt sie aus und ist enttäuscht: „Lauter Linien und Zahlen. Sollen wir eine andere nehmen?“

 

Nils greift eine kleinere Karte, breitet sie aus und staunt. „Sieh nur, da steht Schatzkarte drauf. Da müssen wir hin, zur Radaumacherinsel.“

 

„Oh ja“, ruft Billa, „wer ist der Kapitän?“

 

„Darf ich?“ Nils streicht mit der Hand vor Aufregung seine roten, kurzen Stoppelhaare nach hinten.

 

„O.k. Dann bin ich Steuermann!“ Billa reicht ihm eine Mütze. „Nun sind wir eine Mannschaft, du, ich und Matrose Hertha.“

 

Nils setzt die Kapitänsmütze auf und Billa die vom Steuermann.

 

Da geschieht etwas Seltsames. Plötzlich fährt das Schiff. Der Motor tuckert laut und wo der Bug durch das Wasser saust schäumt und spritzt es auf und die Gischt zieht an den Seiten vorbei. Ein Matrose auf Deck schaut durch ein Fernglas und ruft: „Land in Sicht!“ Nils lacht: „Wir fahren. Echt, wir fahren! Achtung Steuermann, wir sind fast vor der Radaumacherinsel. Der Schatz wird uns gehören!“

 

„Ei, ei Kapitän!“, antwortet Billa und hält ihre Hand zum Gruß an die Mütze, „sollen wir Säbel oder Pistolen mitnehmen, falls Piraten auf der Insel sind?“

 

„Eine gute Idee, Steuermann“, meint Nils. Er sucht überall. „Seltsam“, sagt er, „es gibt hier nur Wasserpistolen. Die können wir nicht gebrauchen.“

 

Er öffnet die Tür, tritt hinaus und befielt: „Alles klar machen. Wir gehen an Land.“

 

Dann geht Billa hinaus, ruft: „Achtung wir legen an!“

 

Noch einmal schauen sie auf die Schatzkarte.

 

„Der Schatz liegt im Norden der Insel, wir sind hier im Osten. Das ist noch ein weiter Weg“, meint Billa.

 

„Dann los!“, befiehlt Nils.

 

Auf der Radaumacherinsel

 

Nils und Billa führen das Schiff vorsichtig an den Kai. Sie lassen die Fender herunter, dicke schwer gefüllte Lederbeutel, die als Polster zwischen Kai und Schiff den Abstand halten sollten. „Anker fallen lassen!“, ruft Billa und dann dreht sie die Kurbel, die den Anlegesteg hinausschiebt, bis er auf der Kaimauer aufliegt. Nils geht zu einem dicken Tau, der Festmacherleine. An ihm ist ein leichtes, dünnes Seil befestigt. Das wirft er hinaus auf die Kaimauer. Dann läuft er über den Anlegesteg auf den Kai und zieht an dem dünnen Seil bis das schwere Tau auf dem Kai liegt. Nun schlingt er die dicke Festmacherleine mehrere Male um einen Poller. Kais Gesicht ist ganz rot von der schweren Arbeit. „Schiff angelegt und gesichert!“, ruft er Billa zu.

 

Billa kommt ihm über dem Anlegesteg entgegen „Wer hier wohl auf dieser Insel wohnt?“ fragt sie. Nils zuckt mit den Schultern. „Werden wir sehen“, meint er und zieht einen Taschenkompass hervor. Er hatte ihn im Ruderhaus in einer Schublade gefunden.

 

Nils legt nun die Schatzkarte auf den Boden, den Kompass darauf und richtet ihn aus. Er zeigt auf die Karte.

 

„Wir sind hier im Osten und müssen in den Norden der Insel. Entweder wir gehen am Ufer entlang, das ist aber ein langer Weg. Oder wir gehen quer über die Insel Richtung Nordwesten. Das ist der kürzere Weg. Aber dann müssen wir bergauf und durch einen Wald.“

 

Billa zeigt auf die Karte: „Lass uns quer gehen, wir haben ja den Kompass.“ Sie sieht sich um und zeigt in die Ferne auf zwei Berge. „Dort muss es sein, bei den beiden Bergen, die wie der Busen einer schlafenden Frau aussehen.“

 

Nils nickt und lacht. „Auf zum Busenberg.“

 

Nils und Billa am Fuße des Busenberges

 

Die Sonne scheint an diesem Tag schon früh und sehr heiß. Nun gehen sie schon zwei Stunden und haben endlich den Wald am Fuße des Busenberges erreicht. Billa hat großen Durst und Nils hat Hunger. Ein Mischwald mit Eichen, Buchen und Tannen liegt vor ihnen. „Hier muss ein Bach in der Nähe sein“, meint Billa. „Laut Karte kommt er von den Bergen herunter.“

 

Nach ein paar hundert Metern finden sie einen klaren, kühlen Bach. Sie trinken und kühlen ihre heißen Gesichter.

 

„Schau nur, da am Ufer, Erdbeeren“, ruft Nils und schon läuft er hin und pflückt eine ganze Hand voll.

 

„Kennst du dich aus mit Beeren?“, fragt Billa. „Weißt du welche giftig sind und welche nicht?“

 

„Ich kenne nicht alle“, meint Nils, „Ich esse nur die, die ich ganz genau kenne.“

 

Beide essen und die Beeren schmecken wunderbar. „Jetzt lade ich dich zum Essen ein“, meint Billa lachend. Sie hat ein Stück weiter kleine Sträucher entdeckt. „Blaubeeren“, ruft sie, „die kenne ich ganz genau.“ Beide pflücken so viele davon, dass sie ganz blaue Hände bekommen. Dann zeigen sie sich ich ihre Zungen, die so blau sind, als hätten sie Tinte getrunken. „Schau da“, sagt Nils, „diesen Stängel mit den vielen orangen Beeren da, den kenne ich auch. Das ist ein Aronstab. Die Beeren sind giftig.“

 

So gestärkt kann es weiter gehen. Sie steigen durch den Wald den Hügel hinauf.

 

Ach, würden sie sich doch nur einmal genau umsehen. Dann würden sie bemerken, dass sie verfolgt werden, von einem dreckigen Kerl mit langen filzigen Haaren und einem Vollbart. Seine Kleider sind schmutzig und zerlumpt. Hätten sie seine schwarzen, langen Findernägel gesehen und an ihm gerochen, hätten sie sicher ausgespuckt. Aber sie sehen ja nicht hin.

 

Billa und Nils kommen keuchend am höchsten Punkt der Insel an. Hier gibt es eine freie Stelle, ganz ohne Bäume. Man kann weit über die Insel schauen, bis hinunter zum Wasser.

 

„Dort unten liegt unser Schiff“, Billa streckt den Arm aus.

 

Mitten auf dem freien Platz liegen dicke Steine zu einem Hügel aufgestapelt und in dem Hügel steckt ein dicker Holzpfahl.

 

„Sieh nur“, ruft Nils, „da in den Pfahl ist etwas eingeritzt." Als sie näher herangehen lesen sie: „Radaumacherland“.

 

„Aha, dann wohnen hier wohl die Radaumacher“, lacht Billa. „Ob sie diesen Schatz hier versteckt haben? Lass uns suchen!“

 

Der Dreckigkerl hat sie belauscht. Nun verschwindet er und läuft in den Wald.

 

Noch einmal nimmt Nils die Karte und liest vor:

 

„30 Schritte von dem Mast,

 

ohne Hast,

 

geh nach Westen

 

und am besten

 

such nach einem Stein.

 

Darunter wird er sein.

 

Ein Wort ist in den Stein gekratzt,

 

Piepmatz“

 

Nils liest vor und Billa stellt sich an den Pfahl.

 

„Westen ist da“, zeigt Nils. Billa geht 30 Schritte in die gezeigte Richtung.

 

„Warte mal“, meint Nils plötzlich. „Hier steht noch etwas auf der Rückseite.

 

‚Seid vorsichtig. Auf der Insel wohnen die Radaumacher. Hütet euch vor ihrer Musik. Manche von ihnen sind Schmuggler, die jeden gefangen nehmen, der die Insel betritt.“

 

 

 

Die Radaumacherschmuggler fangen Nils

 

Ach, hätten sie sich doch nur umgesehen. Da kommt der Dreckigkerl wieder und hat noch vier andere Radaumacher mitgebracht, genau so dreckig wie er.

 

„Fangt den Jungen, er hat die Karte!“, schreit einer. Sie rennen aus dem Wald und auf Nils und Billa zu.

 

Billa ruft: „Nils, hau ab!“ Beide rennen so schnell sie können und die Radaumacher hinter ihnen her. Sie laufen an den Tannen vorbei. Die Tannennadeln zerkratzen ihnen die Arme. Sie laufen durch die Brombeerhecken. Ihre Stacheln krallen sich in die Hosen und zerkratzen ihnen die Beine. Nils stolpert und fällt hin. Er liegt auf dem Boden. Billa sieht es und will ihm helfen. Nils aber schreit: „Lauf Billa, lauf und hole mich später!“

 

„Ich werde wiederkommen und dich holen!“ ruft sie und läuft weiter. Aber sie läuft nur so weit, bis die Kerle sie nicht mehr sehen. Denn sie will beobachten, was geschieht.

 

Nils liegt noch auf dem weichen Waldboden. Da sieht er zwischen den Wurzeln einer alten Eiche ein Loch. Schnell steckt er die Karte und den Kompass dort hinein und schieb ein paar Blätter drauf.

 

Schon sind die Radaumacher bei ihm und packen ihn. Nils ist dünn und leicht. Sie packen ihn am Gürtel und heben ihn einfach hoch. Er zappelt und tritt, schreit und beißt. Aber das alles hilft nicht. Sie fesseln ihn und bringen ihn in ihr Lager. Als sie ihn wegtragen, sieht er noch einmal zu der alten Eiche mit dem dicken Ast. Ein Ast sieht aus wie ein Arm, der seine Mukkis zeigt. Das muss er sich merken, um die Karte wieder zu finden.

 

Billa folgt ihnen unauffällig. „Ich werde dich befreien“, flüstert sie! Es ist nicht weit. Das Lager besteht aus 5 hässlichen alten Holzbuden, die im Kreis aufgestellt sind. In der Mitte ist eine Feuerstelle. Sie setzen Nils auf den Boden und durchsuchen seine Hosentaschen.

 

„Wo ist die Karte!“, schreit der Oberradaumacher. „Das sag ich euch nicht! Nehmt euch nur in Acht. Wenn mein Steuermann kommt, habt ihr nichts mehr zu lachen!“ schreit Nils zurück.

 

„Hahaha“, lachen die Radaumacher und ihre verfilzten Bärte wackeln hin und her. „Deine Billa wird abhauen, wenn wir erst einmal Musik machen. Das hat noch keiner ausgehalten.“

 

Und schon beginnt der 1. auf eine große Trommel zu schlagen, der 2. nimmt eine Trompete und die Töne, die dort herauskommen sind fürchterlich. Der 3. singt ein grausames Lied, der 4. hat zwei große Becken. Schlägt er sie zusammen scheppert es, dass die Hütten wackeln. Der Oberrabauke hat eine Trillerpfeife und bläst mit dicken Backen.

 

Nils möchte sich die Ohren zuhalten. Wie grausam! Da schleicht sich von hinten Billa heran. Sie kriecht ganz flach über den Boden. Die Radaumacher sehen sie nicht. Sie sind zu sehr mit der Musik beschäftigt. Billa steckt Nils zwei rote Kügelchen ins Ohr. Es sind Wiesenknöpfe, die sie gepflückt hat.

 

„Danke!“, schreit Nils, aber Billa kann ihn nicht hören. Sie hat selbst Wiesenknöpfe in den Ohren!

 

Plötzlich hören alle mit dem Radau auf. Billa versteckt sich schnell wieder am Waldrand. Es ist still.

 

„Wo ist die Karte!“, schreit der Oberradaumacher Nils an. Aber der kann nichts hören. „Wenn du nicht reden willst werden wir dich foltern. Dann wirst du uns schon verraten wo die Karte ist. Der Schatz gehört uns. Unser alter Anführer, Käpten Schmuggel, hat alle Schätze hier selbst vergraben. Sie gehören darum uns, den Schmugglern. Ihr habt die Karte gestohlen. Gib sie heraus!“

 

Nils hat nur in das Gesicht des wütenden Dreckigkerls gesehen, aber nichts verstanden. Er schüttelt seinen Kopf so heftig, dass die Wiesenknöpfe herausfallen. Schließlich muss er wissen, was los ist.

 

„Foltert ihn, Stufe eins“, schreit einer. Die anderen stöhnen: „Oh, ah, wie schrecklich, er ist doch noch ein Junge!“

 

Nils bekommt Angst. Er weiß ja nicht, dass Billa alles beobachtet hat und eine Idee hat, wie sie Nils helfen kann. Aber dazu muss sie noch einmal in den Wald zurück.

 

„Foltert ihn, egal ob er ein Junge ist!“, schreit der Oberradaumacher. Zwei Kerle tragen einen großen Holzkübel in die Mitte. Einer bringt einen kleinen.

 

„Und los!“ befielt der Oberradaumacher.

 

Nils zittert. Was sie nur vorhaben? Hoffentlich kommt Billa bald.

 

Da greift ein Dreckigkerl in den kleinen Bottich hebt einen kleinen gelblich, löchrigen Ball heraus, senkt ihn in den großen Bottich. Als er ihn heraushebt, trieft er getränkt von einer Flüssigkeit.

 

„Jetzt wascht ihn!“ schreit der Oberradaumacher. „Wascht ihm die Hände und das Gesicht!“

 

„Oh, ah, nein, nicht das Gesicht, wie schrecklich!“ schreien die anderen Radaumacher. Doch es gibt kein Erbarmen. Nils wird gewaschen. Doch dann merkt er, dass es nur Wasser ist. Schnell versteht er, dass die Radaumacher fürchterliche Angst vor Wasser und dem Waschen haben. Es gibt für sie nichts Schrecklicheres. Deshalb sind sie auch so dreckig. Da lacht Nils so laut, dass alle rufen: „Seht nur wie er leidet, nein, er wird es nicht aushalten.“

 

„Wo ist die Schatzkarte?“, schreit der Oberradaumacher ihn wieder an.

 

„Das sag ich nicht!“ erwidert Nils,. „Dann Stufe zwei, mit Seife!“

 

„Oh, ah, rufen die anderen wieder.“ Aber nun waschen sie Nils die Haare und gießen ihm das Wasser über den Kopf. Nils liebt Wasser. Er duscht zwei Mal in der Woche und geht gerne schwimmen. Er lacht und schreit, damit sie denken, dass er fürchterlich leidet.

 

„Zum letzten Mal. Wo ist die Karte?“ 

 

„Das sag ich nicht!“

 

„Badet ihn!“

 

Der Oberradaumacher hat ein rotes Gesicht, zumindest da wo man es unter all dem Dreck sehen kann.

 

Billa hat die Blaumarottentuckenbockkrankheit

 

Gerade, als sie Nils in den großen Bottich setzen wollen kommt Billa aus dem Wald gerannt und schreit:

 

„Halt aufhören!“

 

Sie rennt geradewegs auf die Radaumacher zu. Als Nils sie sieht, erschrickt er. Billa ist ganz blau im Gesicht und an den Händen. Aber dann macht Billa eine Bewegung, als würde sie Beeren essen. Da weiß Nils Bescheid. Sie hat sich mit den Blaubeeren eingefärbt.

 

„Halt!“, schreit sie wieder!“

 

„Packt sie und steckt sie in den Kübel!“ befielt der Oberradaumacher.

 

Billa stemmt ihre Fäuste in die Hüften und sieht die Schmuggler böse an.

 

„Das würde ich nicht tun, wenn ihr euch nicht mit der Blaumarottentuckenbockkrankheit anstecken wollt. Sie ist sehr gefährlich und kann nur verschwinden, wenn man täglich dreimal badet.“

 

„Iih, wie furchtbar, nein, wie schrecklich!“ schreien alle Schmuggler durcheinander und gehen immer weiter zurück. Schließlich rennen sie in ihre Hütten und verstecken sich.

 

Brilla löst Nils die Fesseln.

 

„Du warst spitze Billa“, sagt er. „Jetzt müssen wir noch zu der Eiche mit dem Mukkiarm. Dort habe ich die Karte und den Kompass versteckt. Und dann können wir uns den Schatz holen.“

 

Weil die Radaumacher bibbernd in ihren Hütten bleiben, können Billa und Nils in aller Ruhe den Schatz suchen. Unter einem der Steine ist Piepmatz eingeritzt. In der Erde darunter finden sie ein silbernes Kästchen.

 

„Lass uns zum Schiff gehen, wir öffnen es dort in aller Ruhe“, sagt Billa und Nils ist einverstanden.

 

Zurück auf dem Schiff

 

Als sie auf dem Schiff ankommen ruft der Smutje: „Das Essen ist fertig. Kommt in die Kombüse!“ Er hat einen dicken Bauch und raucht eine stinkende Zigarre.

 

Ja, sie haben einen gewaltigen Hunger. Schnell steigen sie Treppe hinunter. Dort duftete es schon so lecker, dass ihnen der Magen knurrt und das Kielwasser im Mund zusammenläuft. Sie stellen das silberne Schatzkästchen mitten auf den Tisch. Der Smutje kommt mit einem großen Teller Pfannekuchen und stellt sie neben das Kästchen. Auch wenn beide großen Hunger haben, die Neugier siegt. Vorsichtig öffnen sie den silbernen Riegel, dann den Deckel und finden darin einen goldenen Schlüssel und einen Zettel. Billa nimmt ihn heraus und liest vor:

 

 

 

„An meine Freunde, die Radaumacherschmuggler! Dieser Schlüssel öffnet die Pforte zur Schatzkammer des Maratukkenkönigs. Ich habe ihn gestohlen. Er ist sehr wertvoll. Wer ihn dem König wiederbringt erhält eine große Belohnung. Ich will ihn aber nicht zurückgeben. Ich will seine Schatzkammer ausrauben. Leider werde ich nicht mehr dazu gekommen. Tut euer Bestes! Viel Glück wünscht euch Eurer Käpten Schmuggel.

 

Dann wissen wir ja wohin die nächste Reise geht“, lacht Billa, „lass uns jetzt essen.“ Als Nils und Billa ihre Mützen ausziehen, wird alles wieder normal. Billa ist nicht mehr blau und der Smutje ist Herta ohne dicken Bauch und Zigarre.

 

Das größte Kinderzimmer der Welt

 

„Habt ihr eine gute Reise gehabt?“, fragt Hertha. „Ich habe Pfannekuchen gebacken.“

 

„Es war toll“, lacht Nils, „wir haben einen Schatz gefunden. Die Schmuggler haben mich gefangen und wollten mich foltern. Aber Billa hat mich befreit. Als wir die Mützen angezogen haben war alles echt.“

 

„Ich weiß“, nickt Hertha, „ging mir früher auch so. „Ich habe alle 7 Schätze gefunden. Mal sehen, ob ihr das auch schafft.“

 

„Wie kann das sein, dass es sich so echt anfühlt?“, will Billa wissen.

 

„Es ist echt“, lacht Hertha, „darum passt auf die Schmuggler auf. Sie sind überall.“

 

Billas Mund bleibt offenstehen: „Wirklich echt!“

 

Von diesem Tag an findet sie das Ruderhaus gar nicht mehr zu klein. Wenn man doch von dort aus so weit reisen kann. Und wo man Abenteuer überstehen kann, ist wohl das größte Kinderzimmer der Welt.

 

„Ich freu mich schon auf die nächste Fahrt zum Maratukkenkönig!“ Billa sieht Nils an. „Fährst du wieder mit, auf Schatzsuche?“

 

„Na, klar“, lacht Nils, „wer so einen tollen Steuermann hat, fährt immer mit!“

 

 

 

 

 

Anhang:

 

 

Anlegesteg: eine kleine Brücke, die vom Schiff auf die Hafenmauer führt. Sie hat Bretter, auf denen Leisten quer befestigt sind, damit man nicht ausrutscht, denn die Brücke liegt meist etwas schräg. An den Seiten gibt es Stangen, durch das ein Seil gespannt ist, damit man sich festhalten kann und ein Netz, damit niemand ins Wasser fällt. Der Anlegesteg wird herausgekurbelt.

 

Anker: ein schwerer Eisenhaken an einer schweren Eisenkette. Er wird mit einer Kurbel heruntergelassen und hält das Schiff auf Position.

 

Backbord: in Fahrtrichtung schauend die linke Seite des Schiffes

 

Fender: dicke, gefüllte Säcke, die an der Seite des Schiffes herunterhängen, damit das Schiff polstern damit die Kaimauer es nicht zerkratzt.

 

Festmacherleine: ein sehr dickes, schweres Tau. Damit wird das Schiff an die Poller angebunden.

 

Gischt: ist das ausprudelnde Wasser, das am Bug vorbeizieht, wenn das Schiff auf Fahrt ist.

 

Kai: Die Hafenmauer

 

Kapitän: der Boss auf dem Schiff und für alles verantwortlich.

 

Kombüse: die Küche

 

Kommandobrücke: bei sehr großen Schiffen, da wo der Kapitän ist und alles dirigiert, wo der Kartentisch ist und das Steuerrad. Von hier aus gibt der Kapitän die Kommandos.

 

Landungsbrücke: wie der Anlegesteg führt er auf die Kaimauer. Landungsbrücke heißt es bei großen Schiffen und ist eine hohe Treppe, die hinauf auf das Schiff führt.

 

Matrose: ein Schiffsarbeiter

 

Mukkis: dicke Muskeln an den Oberarmen, die Bizeps.

 

Poller: dicke runde Eisenpilze, um die das Tau geschlungen wird.

 

Ruderhaus: wie die Kommandobrücke der Raum für den Kapitän, aber kleiner, weil das Schiff auch kleiner ist. Hier ist das Steuerrad, das auch Ruderrad genannt wird.

 

Ruderrad oder auch Steuerrad: Mit ihm wird das Schiff gelenkt.

 

Steuerbord: in Fahrtrichtung schauend, die rechte Seite des Schiffes (kleine Eselsbrücke: Steuerbord, rechts – Backbord links - wenn du einem eine Backpfeife gibst, ist es in der Regel die linke Backe.)

 

Steuermann: mit dem Kapitän der wichtigste Mann oder die wichtigste Frau auf dem Schiff. Der Steuermann ist für die Navigation verantwortlich. Das heißt er muss das Schiff in die richtige Richtung steuern.

 

Smutje: der Schiffskoch

 

Tau: ein Seil, das so dick sein kann wie ein Arm und besonders schwer ist.

 

Taschenkompass: Im Gegensatz zu dem festen Kompass im Schiff, ist dies ein kleiner, den man zur Orientierung  mit an Land nehmen kann und in die Tasche stecken.